Donnerstag, 22. Oktober 2015

Thomas Backus, Sabrina Hubmann, Nina Horvath, Eric Hantsch (Hrsg.)
Verbotene Bücher
Auf den Spuren H. P. Lovecrafts 3
10/2015 (c) Verlag Torsten Low 
ISBN 978-3-940036-34-6 
362 Seiten - 14,90 €
eBook: in Vorbereitung


Klappentext: 

 Ein in Menschenhaut gebundenes Buch zieht eine Spur von Selbstmorden hinter sich her … Der König in Gelb sucht einen Erben … Worte der Qual bewahren unser Universum vor dem Wahnsinn … Die Notizen eines alten Mannes bergen eine blasphemische Geschichte … Das Buch Llyfr y Cythraul eröffnet einer Frau ein Schicksal, dem sie nicht entkommen kann ... 

 Blasphemische und verbotene Bücher, die schreckliche Geheimnisse in sich tragen oder grauenvolle Entitäten heraufbeschwören, waren schon immer ein wichtiger Bestandteil des lovecraft'schen Kosmos. 

16 Autoren wandeln erneut auf den Spuren des Meisters und haben sich aufgemacht, die Bibliothek des Schreckens zu öffnen, und sind dabei auf Mysterien jenseits der menschlichen Vorstellungskraft gestoßen. Das Grauen lauert nicht in Gräbern oder Spukhäusern, sondern zwischen den Worten und Buchstaben verruchter Bücher! 

Inhalt:
Untergang - Eric Hantsch
Bitte nicht lesen! - Holger Göttmann
Blockade - Christian Damerow 
Das Erbe des Walther Stuck - Johannes Harstick 
Der verschollene König - Thomas Backus
Ein Wolf im Schafspelz - Bernhard Finger 
Fim Schabbah - Sabine Frambach 
Köderwurm - Detlef Klewer 
Marketing - Bettina Ferbus 
Samhain - Julia Annina Jorges 
Sammelband - Tobias Müller 
Tod dem König in Gelb - Felix Woitkowski 
Mr Ashshires Vermächtnis - Vanessa Kaiser & Thomas Lohwasser 
Thaler Thaler - T. S. Orgel 
Der Mann am anderen Ende - Sabrina Hubmann 
Das Bionomicon - Nina Horvath



Thomas Backus
Der verschollene König

Wenn meine Mutter gewusst hätte, was sie damit anrichtete, hätte sie mir niemals die Märchen der Gebrüder Grimm vorgelesen. Diese Geschichten faszinierten mich. Ich wollte mehr wissen über die Wölfe, die Hexen und die Monster, welche auf unbedarfte Wanderer und oft auch auf kleine Kinder lauerten, um sie zu fressen, oder zumindest in irgendwelche Tiere zu verwandeln.
Ich las alle Märchenbücher, die mir in den Hände fielen. Verschiedene Ausgaben der Grimmschen Kinder- und Hausmärchen, Andersons Kunstmärchen, selbst solche Exoten wie die Märchen von Charles Perrault (dessen Version von Rotkäppchen die Version der Gebrüder Grimm um Längen schlägt).
Danach waren die Sagen dran. Griechische, römische und nordische Sagen. Auch diese waren voll von Ungeheuern und Zauberern, und von Helden, welche am Ende der Gerechtigkeit zum Sieg verhalfen.
Irgendwann schenkte mir eine Tante ein Buch mit Gespenstergeschichten. Dort traf ich zum ersten mal auf meine späteren Idole Edgar Allan Poe und H. P. Lovecraft.
Besonders letzterer hatte es mir angetan. Ich sammelte die Suhrkamp-Taschenbücher, welche, wie ich heute weiß, Nachdrucke von Büchern aus dem Insel-Verlag sind. Ich kaufte mir auch die Neuübersetzungen aus dem Hause Festa. Die Werksgruppen der Edition Phantasia hatte ich mir nicht leisten können – bis ich eine kleine Erbschaft machte. Die Tante, welche mein Interesse für den Meister geweckt hatte, verstarb. So war es doch nur recht und billig, dass ich mir dem von ihr hinterlassenem Geld meine Sammlung vervollständigte.
In einem kleinen Antiquariat in einer Seitengasse Wiens fand ich außerdem die kompletten Insel-Hardcover in einem tadellosem Zustand. Der Verkäufer legte sogar noch zwei kleine Bücher drauf. »Wenn Ihnen Lovecraft gefällt, werden Sie diese Bücher mögen«, sagte er. Und ich bin mir sicher, auch er ahnte nicht, was er damit auslöste.

Die beiden Bücher waren eigentlich keine richtigen Bücher. Jedenfalls nicht auf einer Druckerpresse gedruckt. Vielmehr schien man sie Seiten kopiert und gebunden zu haben. Das Ganze war sehr liebevoll und sorgfältig geschehen, sodass ich die beiden Bände trotz allem als bibliophile Kostbarkeit ansah. Der Hersteller hatte die Büchlein in Elefantenhaut gebunden (was wohl an Pergament erinnern sollte) und mit einer stimmungsvollen Schwarz-Weiß-Zeichnung versehen.
Beide Bücher stammten von einem Stephan König,. Das Impressum nannte als Verlag die Kobold-Presse, die Auflage war auf 30 Exemplare limitiert, wenn auch nicht Nummeriert.
Keines der Bücher enthielt eine Biografie des Autors. Im Vorwort wurde lediglich erwähnt, dass Stephan König vor Ort recherchierte. Der erste Band enthielt fantastische Räubergeschichten, welche während einer Reise durch den Spessart in den Ruinen alter Wirtshäusern verfasst worden seien.
Band zwei enthielt Vampir-Geschichten (der Autor verwendete die altertümliche Schreibweise Vampyr), die auf einer Reise durch die entlegensten Gegenden Transsylvaniens entstanden sein sollten.
Es gab auch einen Hinweis auf einen dritten Band. Dieser sollte Hexengeschichten enthalten. Wie König aufgeregt mitteilte, habe er sich eine Einladung zu einem Hexensabbat erschlichen, und er brannte darauf, seine dortigen Erlebnisse zu Papier zu bringen.
(…)